Der Ochsenkrieg

Deutschland 1920, 83 Minuten | HD-s/w-restaurierte Fassung

Der Ochsenkrieg, 1920 unter der Regie von Franz Osten gedreht, war die erste Filmproduktion der späteren Bavaria Film und wurde 2018/2019 vom DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum digital restauriert. Die Weltpremiere dieser Filmfassung  fand am 3. Juli auf dem Filmfest München statt - unterlegt mit der neu komponierten Filmmusik von Hans-Jürgen Buchner, auch bekannt als Kopf und Sänger der Band Haindling.


Filmausschnitt "Der Ochsenkrieg"


Der Ochsenkrieg erzählt eine Geschichte aus dem 15. Jahrhundert, als die Ramsau unter der Herrschaft des Klosters Berchtesgaden stand. In der Ramsau lebt der Bauer und ‚freie Richtmann‘ Runotter, der keinen Lehenzins ans Kloster zahlen muss. Er ist ein angesehener Mann in der Gemeinde. Seine Frau wird Opfer einer Vergewaltigung durch den adligen Chorherr Aschacher und bringt Jakerl zur Welt; kurz nach der Geburt stirbt sie. Das ‚Kind der Schande‘ wächst abgeschieden auf der Hängermoosalm in der liebevollen Obhut von Runotters Tochter Jula auf. Jula wird wiederum vom Sohn des Amtmanns verehrt, der sie heimlich auf der Alm besucht. Und weil solche zarten Liebesverhältnisse nicht unentdeckt bleiben, fliegt es auf, dass auf der Hängermoosalm ein reges Familienleben herrscht und Milchwirtschaft betrieben wird, obwohl laut eines alten Weidebriefs dort nur Ochsen weiden und Ochsenknechte einen Unterschlupf finden dürfen.

Es folgt eine eskalierende Auseinandersetzung um die Frage, ob doch auch Kühe auf der Alm weiden dürfen. Die Rechtslage ist unklar - es gibt zwei Fassungen des Weidbriefs. Der selbstherrliche Amtmann, überzeugt von der Unfehlbarkeit seiner Verwaltung, missachtet die Rechtsverwaltung der Bauernschaft. Mit amtlicher Anordnung wird Runotters Almhütte geräumt und niedergebrannt. Als der kleine Jakerl Jula schützend beisteht, wird er von einem Schildknecht des Amtsmanns erschlagen. Daraufhin kommt es zu einem gewaltsamen Aufstand der Bauern. Im Kern geht es um die Frage, welches Recht gilt: das Gewohnheitsrecht der Bevölkerung oder das feudale und formalisierte Recht, das der Amtmann vertritt. Runotter kämpft mit seiner Tochter Jula, seinem Söldner Malimmes und der Bauernschaft gegen die Feudalherrn. In der entscheidenden Schlacht mit anschließendem Friedensvertrag findet der Kampf der Bauern einen siegreichen Abschluss.

Der Ochsenkrieg erschien 1914 als historischer Roman und verhandelt eine reale historische Begebenheit: die militärische Auseinandersetzung zwischen der Grafschaft Haag unter Georg III. und dem Herzogtum Bayern-Landshut unter Heinrich XVI. in den Jahren 1421 bis 1422. Die Dialoge bzw. die Zwischentitel des Films orientieren sich stark an der Romanvorlage. Ganghofer schildert in seinem Roman die zahlreichen Verstrickungen und Bündnisse zwischen verschiedenen Fürstentümern, Klöstern und einfachen Bauern mit den beiden Lagern des Krieges. Die filmische Adaption hingegen konzentriert sich ganz auf die kriegerische Auseinandersetzung zwischen den Ramsauern und dem Kloster Berchtesgaden. Runotters Frau, zu Beginn des Romans bereits verstorben, wird in der filmischen Umsetzung durch Thea Steinbrecher verkörpert, die ab dem zweiten Akt Runotters Tochter Jula spielt. Die wichtigen Eckpunkte der Handlung sind im Film verdichtet, teils etwas milder ausgestaltet.

Die neue Musik von Hans-Jürgen Buchner, der mit seiner Kultband Haindling bayerische Musikgeschichte geschrieben hat, entstand für die TV-Premiere des Films auf ARTE und erlebte auf dem Filmfest München 2019 zusammen mit der Filmrestaurierung ihre Uraufführung. Anlass für den Kompositionsauftrag war das 100jährige Jubiläum der Bavaria, die 1932 aus der ‚Münchner Lichtspielkunst AG‘ (Emelka) hervorgegangen war.

Der Ochsenkrieg

Filmmusik für Ensemble (2019) von Hans-Jürgen Buchner (HAINDLING) zum gleichnamigen Film von Franz Osten (1920)

Live-Fassung gespielt von Mitgliedern der Band HAINDLING und Gastmusiker*innen in der Besetzung:

1 Klavier, 1 Keyboards/Sampler, 1 Posaune, 1 Flügelhorn, 1 Percussion und Nebeninstrumente

Ausgangsmaterialien der 2018/2019 erfolgten Filmrestaurierung durch das DFF waren zwei historische, mehrfarbig viragierte (tinting & toning) Positivkopien aus der Sammlung des DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum und der Library of Congress. Beide Kopien sind vom verschollenen Originalnegativ gezogen. Durch intensive Nutzung und Kürzungen zeigen beide an unterschiedlichen Stellen Lücken. Die Kopie der Library of Congress stellt eine US-amerikanische Vertriebsfassung mit eindeutigen Änderungen des bayrischen Lokalkolorits in Richtung ‚Western‘ dar. Im Rahmen der Restaurierung wurden die in der deutschsprachigen Filmkopie fehlenden Zwischentitel aus der US-amerikanischen Filmkopie rückübersetzt und neu gesetzt. Die aktuelle Restaurierung honoriert die Provenienz und Eigenart der Filmkopie aus der Sammlung des DFF. Diese enthält neben den ursprünglichen Zwischentiteln mit Herstellerkennung der Münchener Lichtspielkunst A.-G. zusätzliche Zwischentitel, die der Kinobetreiber Herrmann Hoffmann in die Kopie setzte. Die Restaurierung und Digitalisierung erfolgte mit Förderung des BKM.

Der Komponist Hans-Jürgen Buchner (HAINDLING)

Hans-Jürgen Buchner wurde 1944 in Berlin geboren. Er hat nach einer Keramikerlehre mit seiner Frau eine Töpferei in Straubing eröffnet. Erst mit 38 machte er sein Hobby Musik zum Beruf. Seitdem hat er mit seiner Band Haindling zahlreiche Alben veröffentlicht. Er ist heute eine feste Größe im bundesdeutschen Musikgeschäft und hat in Bayern Kultstatus. Seine Musik weist starke Einschläge von bayerischer Volksmusik und Jazz auf. Insbesondere sein Interesse für exotische Instrumente führt zu weiteren Einflüssen aus den Herkunftsgebieten dieser Instrumente, die z. B. afrikanische, tibetische und chinesische Klangwelten umfassen. Seine Liedtexte verfasst er überwiegend in bayerischer Mundart.

Parallel zu seinem Bandprojekt schreibt Buchner Filmmusik. Den Beginn markiert eine Zusammenarbeit mit dem Regisseur Franz Xaver Bogner, für dessen  Filme und Fernsehserien er die Titel- und Filmmusiken schreibt, u.a zu Café Meineid, Der Kaiser von Schexing, Madame Bäurin und Einmal leben. Das Lied Paula aus der Reihe Zur Freiheit sowie das Titelstück zu Irgendwie und Sowieso wurden über die Serien hinaus bekannt. Weitere Filmmusiken entstanden 1985 zu Xaver und sein außerirdischer Freund, 2003 zu Jennerwein und 2005 zur TV-Biografie Margarete Steiff. Auch für Douglas Wolfspergers Kinofilme war er als Filmkomponist tätig, u. a. 2001 für Bellaria – So lange wir leben!. Für seine „ebenso bissige wie musikalisch virtuose Kritik am ‚Mir-san-mir‘-Bayerntum“ wurde Hans-Jürgen Buchner im Jahr 2000 vom Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Hans Zehetmair, mit der Auszeichnung Pro meritis scientiae et litterarum geehrt. 2014 erschien der Dokumentarfilm Haindling – und überhaupt’s … von Jörg Bundschuh und Toni Schmid, der Buchners gesamtes Leben, hauptsächlich jedoch seine Arbeit mit Haindling beleuchtet. Hans-Jürgen Buchner ist seit den 90er Jahren im Naturschutz aktiv. Für sein besonderes Engagement zum Schutz der Bayerischen Natur, u.a. der frei fließenden Donau zwischen Straubing und Vilshofen erhielt er 2008 die Bayerische Naturschutzmedaille und 2015 die Bayerische Staatsmedaille für besondere Verdienste um die Umwelt.

Franz Xaver Ostermayr hatte in München ein renommiertes Fotogeschäft am Karlsplatz/Stachus, ebendort wo sich heute das Gloria-Kino befindet. Die Ostermayr-Söhne Franz (geb.1876), Peter (geb.1882) und Ottmar (geb.1886) lernen ihr Handwerk im elterlichen Betrieb. 1905 übernehmen Peter und Franz Ostermayr das Fotoatelier des Vaters. Franz ist mehr an Kunst als am Fotogewerbe interessiert und absolviert gegen den Wunsch des Vaters auch eine Schauspielausbildung.

1906 sehen die Brüder Ostermayr in 'Kils Kolosseum' in München ihre erste Filmvorführung. Franz ist von den künstlerischen, Peter von den ökonomischen Möglichkeiten fasziniert. Sie kaufen bei Gaumont, Pathé und Messter kleine Filmstreifen und gründen das Wanderkino 'Original Physograph Company'. Das Programm besteht aus Burlesken, Sensationen aus aller Welt, Patriotismus und einem Streifen über das 'Leben in Indien'. Am 3. April 1907 ist Premiere in Nürnberg. Am dritten Tag die Katastrophe: der Film fängt Feuer. Unter dem begeisterten Applaus des Publikums weitet sich das 'Großfeuer in London' zu einem Saalbrand aus.

Für Franz Ostermayr ist das Kino vor allem etwas Kreatives. Ende 1907 beginnt er selbst Filmaufnahmen zu machen. 1908 werden die Brüder Ostermayr als Kameramänner für Pathé-Journal und Gaumont-Week engagiert. Peter Ostermayr mit seinem scharfen Geschäftssinn gründet 1909 die 'Münchner Kunstfilm Peter Ostermayr', das erste süddeutsche Filmatelier. 1911 beginnt Franz Ostermayr mit seinen ersten Regiearbeiten. Wann er sich das Pseudonym Franz Osten zugelegt hat, ist unklar, es muss etwa 1910 erfolgt sein, um Verwechslungen mit seinem Bruder zu vermeiden. 1913 eröffnet Carl Gabriel die 'Sendlinger Tor-Lichtspiele'. Zur Premiere läuft eine Ostermayr-Produktion. Sogar das Königshaus, zu dem Peter Ostermayr als Hof-Filmberichterstatter beste Beziehungen aufgebaut hatte, lässt sich durch die prunkvolle Premiere anlocken.

Nach dem Ersten Weltkrieg, den Franz Osten z.T. als Korrespondent an der Vogesen-Front, erlebt, überführt sein Bruder Peter Ostermayr am 23. April 1918 seine 'Münchner Kunstfilm Peter Ostermayr' in die 'Münchner Lichtspielkunst GmbH' (M.L.K.). Durch Subfirmen und verschiedene Beteiligungen zimmert er sich einen eigenen Münchner Konzern. 1919 wandelt Peter Ostermayr die M.L.K.(= Emelka) in eine AG um, da seine ehrgeizigen Pläne eines Atelierbaus in Geiselgasteig neues Kapital erfordern. 1920 ist das große Glashaus in Geiselgasteig fertig. Der Ochsenkrieg ist der erste Film, der im neu errichteten Glasatelier ab 21. Juni 1920 gedreht wurde, und ist zugleich Auftakt zu einer ganzen Serie von Ganghofer-Verfilmungen der Emelka. Franz Osten firmiert als Oberregisseur der Emelka.

Ab 1925 beginnt die äußerst produktive Phase von Franz Ostens Filmarbeit in Indien. Auf Initiative des jungen indischen Rechtsanwalt Himansu Rai entschließt sich die Emelka sich zu einer Gemeinschaftsproduktion mit der Great Eastern Corporation (Delhi). So entsteht die erste deutsch-indische Filmproduktion, ein Historienfilm über das Leben des Gautama Buddha, 'Die Leuchte Asiens'. Franz Osten übernimmt die Regie und realisiert den Film 1925 in Indien. Nach dem großen Erfolg dieses Films dreht er weitere Filme in Indien, nun für die Ufa und British Instructional Films in den Jahren 1928 und 29: 'Shiraz' ('Das Grabmal einer großen Liebe') und 'Prapancha Peash' ('Schicksalswürfel').

Zurückgekehrt nach München, beginnt Osten, sich mit dem Tonfilm vertraut zu machen. Seine ersten Tonfilme sind Heimatfilme u.a. wieder für seinen Bruder Peter Ostermayr. Viele weitere Tonfilme (z.B. 'Im Banne der Berge' 1931, 'Der sündige Hof' 1933, 'Der Judas von Tirol' 1933) folgen. Kurz darauf gründet Himansu Rai 1934 das Bombay Talkies-Studio und verpflichtet Osten als Regisseur. Von 1935 bis 1939 dreht Osten für sie 16 Filme. 1936 entstand 'Achhut Kanya', der vom melodramatischen Liebestod einer Unberührbaren handelt. Der Film gilt als das Meisterwerk der Bombay Talkies, wurde zum Besten Film des Jahres (Gohan Goldmedaille) gewählt und von Nehru persönlich gelobt. Ostens Verdienste um den indischen Film - ästhetisch, technisch, ökonomisch - sind in Indien unumstritten.

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs fand Ostens indische Karriere ein abruptes Ende. Am 3. September 1939 wurde er von den Engländern interniert. 1940 kehrt Osten gesundheitlich angeschlagen nach München zurück. Von 1940-1945 ist er Besetzungschef der 'Bavaria-Filmkunst' und sorgt für die Einrichtung eines Filmarchivs. Von 1946 bis zu seinem Tod 1956 ist er Kurdirektor von Bad Aibling.

Quelle: auszugsweise zitiert aus: Franz Osten - Ein deutscher Filmpionier in Indien von Thomas Brandlmeier


Credits

  • Regie, Schnitt:
    Franz Osten
  • Drehbuch:
    Franz Osten, nach der gleichnamigen Romanvorlage von Ludwig Ganghofer
  • Kamera:
    Franz Planer
  • Schaupieler:
    Thea Steinbrecher (Jula/die Runotterin), Fritz Greiner (Runotter, Bauer und Richtmann), Viktor Gehring (Chorherr Aschacher), Ernst Rückert (Lampert, Sohn des Amtmanns Someier), Kurt Gerdes (Malimmes) u.v.a.
  • Restaurierung (2019):
    DFF - Deutsches Filminstitut & Filmmuseum
  • Musik (2019):
    Hans-Jürgen Buchner (HAINDLING)
  • Redaktion:
    Regina Krachowitzer (ARD/Degeto)
  • Produzent:
    Thomas Schmölz (2eleven music film)

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