Das alte Gesetz

Deutschland 1923, 134 Minuten | HD-s/w(viragiert)-restaurierte Fassung

Der 1923 entstandene Film Das Alte Gesetz von Ewald A. Dupont (1891-1956) ist ein Klassiker der deutsch-jüdischen Filmgeschichte. Er thematisiert die Assimilationsproblematik der Juden im 19. Jahrhundert, erzählt am Schicksal eines jungen Manns aus einer galizischen Rabbi-Familie.


Das alte Gesetz von Ewald A. Dupont (1891-1956) thematisiert die Assimilationsproblematik der Juden im 19. Jahrhundert, erzählt am Schicksal eines jungen Manns aus einer galizischen Rabbi-Familie. Baruch möchte gegen den Willen seines Vaters Schauspieler werden und verlässt das kleine Dorf und seine Familie. Der Film siedelt die Vater-Sohn-Geschichte in einem streng orthodoxen Milieu an und stellt der religiösen Welt des Rabbis eine liberale profane Theaterwelt gegenüber. In der Begegnung mit dem klassischen Theater und dem Geist der Aufklärung eröffnet sich für ihn eine neue Welt, vor der sich auch sein Vater nicht verschließen kann.

Das alte Gesetz  ist ein Klassiker der deutsch-jüdischen Filmgeschichte. Ein ähnlicher Konflikt wird in dem vier Jahre später entstandenen amerikanischen Film The Jazz Singer verhandelt; da will der Rabbi-Sohn Sänger werden und stößt seinen Vater vor den Kopf. Wo The Jazz Singer durch den Zeitgeist der 1920er Jahre mit Jazzmusik punkten kann, wird in Das Alte Gesetz der Konflikt subtiler beleuchtet. Mit der authentischen  Ausstattung und dem exzellenten Schauspieler-Ensemble - großartig in Szene gesetzt durch Kameramann Theodor Sparkuhl - gilt Das Alte Gesetz als einer der besten Filme des Weimarer Kinos, gedreht von einem fast ausschließlich jüdischen Team. „Es gelingt Dupont, die Atmosphäre der so verschiedenen Welten dieses Films sichtbar zu machen: das Ghettomilieu, das durch eine nahezu unübersteigbare Mauer von der Welt da draußen getrennt ist und diese Welt selbst; die hier anschaulich gemacht wird durch das Wien der sechziger Jahre, das getragen wird von den Rhythmen der Walzer eines Johann Strauß und dem das Burgtheater den Inbegriff aller Kunst schlechthin bedeutet.“ (Film-Kurier, Nr. 244, 30. Oktober 1923)

Mit der neuen Ensemblemusik von Philippe Schoeller, entstanden i. A. von ZDF/ARTE und geschrieben fürs Jewish Chamber Orchestra Munich, erfährt dieser Filmklassiker eine neue Deutung. Die Musik kommuniziert mit dem Bild. Sie greift dem Film nicht vor, sondern reagiert auf die formale Konstruktion und die gerade im Stummfilm bedeutsame Dramaturgie des Lichts – im ALTEN GESETZ besonders markant. In ihrem transparenten Klangbild unterstreicht Schoellers Musik die visuelle Qualität des Films und vereinigt verschiedene Kompositionstechniken bis hin zur minimal music und Mikrotonalität.

Die Musik ist für ein zwölfköpfiges Kammerensemble geschrieben. Mit dieser mobilen Besetzung (7 Streicher plus Flöte, Oboe, Klarinette Akkordeon, Percussion) erschafft der Komponist eine extrem fein durchgearbeitete Musik, die in ihrer Modernität auch Distanzen und Verluste thematisiert. Zugleich macht sie den innovativen Charakter des Films bewusst. Dupont spielt in DAS ALTE GESETZ den Reichtum der Kinematographie durch, wie er für zukünftige Generationen bedeutsam werden sollte.  Philippe Schoellers entwirft mit seiner Musik einen Resonanzraum, in dem sich Gegenwart und Vergangenheit durchdringen. Seine Komposition changiert zwischen Konstruktion und Emphase, sie ist modern gedacht und doch der Metaphysik des Klangs auf der Spur – beste Voraussetzungen, um den Bogen vom historischem Film zur heutigen Rezeptionssituation zu schlagen.

DAS ALTE GESETZ
musique du film éponyme de Ewald André Dupont pour ensemble instrumental (2017)

Besetzung:

1 Flöte.1 Oboe.1 Klarinette -  1 Percussion, 1 Akkordeon - Streicher (2.0.2.2.1)

Percussion: 2 Bongos (mittel, groß), 2 Becken auf Stativen, 4 Tibetanische Klangschalen (c,c,d,fis), Claves

Die aktuelle Restaurierung der Deutsche Kinemathek ist eine Digitalrestaurierung und baut auf den im Bundesarchiv-Filmarchiv aufbewahrten Nitrokopien auf, die auch bei der Restaurierung von 1984 verwendet wurden. Mit Hilfe digitaler Technik war es möglich, diese nun wesentlich besser zu duplizieren, die Montage zu vervollständigen und die Farben der zeitgenössischen Virage wiederzugewinnen. Dabei griff das Team um Martin Koerber auf zusätzliches Material vom Narodni Filmovy Archiv, Prag, und der Cinémathèque Francaise, Paris, zurück. Dank der Forschungsarbeit von Prof. Cynthia Walk (University of California, San Diego) hat sich die Zensurkarte des Films wieder gefunden, so dass nun eine authentische Titelfassung hergestellt werden kann. Die aufwendige Digitalrestaurierung kam mit erheblicher finanzieller Unterstützung der Sunrise Foundation for Education and the Arts zustande.

Der Komponist Philippe Schoeller

Philippe Schoeller (*1957) studierte Musikwissenschaft und Philosophie an der Sorbonne, belegte Kurse bei Pierre Boulez am College de France und betrieb am Pariser IRCAM Studien zur Klangsynthese. Neben seiner Tätigkeit als Komponist von Konzert- Ensemble- und Vokalwerken, die international von hochkarätigen Orchestern wie dem Ensemble Intercontemporain oder Orchestre Philharmonique de Radio France aufgeführt werden, ist Philippe Schoeller der Filmmusik verbunden. Er gehört zu den europäischen Komponisten, die gegenwärtig die interessantesten Filmmusiken für Stummfilme schreiben. Er repräsentiert eine Generation von Komponisten, die in ihrer Stummfilmarbeit eine Leerstelle zwischen einer rein historisierenden Begleitpraxis und einer programmatischen Neuen Musik füllen, die sich meist autonom zum Film verhält.

E. A. Dupont (1891 – 1956) war ein deutscher Regisseur und Drehbuchautor. Ab 1911 arbeitet er als Journalist für diverse Zeitungen und berichtet u.a. in der Rubrik „Varieté und Film“. 1916 wechselt er die Seite und beginnt Drehbücher zu verfassen, die reihenweise umgesetzt werden – z.B. werden 1917/18 elf seiner Drehbücher verfilmt. Er dreht die Max Landa-Detektivserie (1918-19), arbeitet mit Paul Leni und Henny Porten zusammen, für die Ufa entsteht sein Welterfolg VARIETÉ mit Emil Jannings und Lya de Putti. Es folgen Engagements in Hollywood und London, wo er mit Filmen wie MOULIN ROUGE (1927/28) und PICCADILLY (1928) seine Erfolgssträhne weiterführen kann. Am Anfang der Tonfilmzeit bleibt Dupont in Deutschland und ist in den USA als Regisseur gut im Geschäft, doch nach der Flucht ins Exil und einer längeren Auszeit kann er in den 1950ern nicht mehr an alte Erfolge anknüpfen.


Credits

  • Regie:
    Ewald André Dupont
  • Kamera:
    Theodor Sparkuhl
  • Ausstattung:
    Alfred Junge, Curt Kahle, Ali Hubert
  • Schauspieler:
    Ernst Deutsch, Henny Porten, Avrom Morewski, Robert Garrison u.v.a.
  • Restaurierung (2016):
    Deutsche Kinemathek Berlin, ARRI Media
  • Musik (2017):
    Philippe Schoeller (Auftragswerk von ZDF in Zusammenarbeit mit Arte)
  • Redaktion:
    Nina Goslar, ZDF
  • Produzent:
    Thomas Schmölz (2eleven music film)

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